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plötzlich mehr Stillen und weniger Schlafen?

Eine Mama, die ich zu einer Brustentzündung beraten hatte schrieb mir heute:

 

Hallo Frau Balicki,
Ich war nach dem Wochenende bei meiner Frauenärztin, im Ultraschall sah es nach einer abheilenden Mastitis aus, ein Antibiotikum brauchte ich glücklicherweise nicht. Am Dienstag hatte ich dann auch keine Beschwerden mehr.
Seitdem ist es aber nun so, dass mein Sohn nachts nicht mehr so lange schläft, wie vorher. Er hat sich vorher immer erst nach knapp 5-6 Stunden und danach nach 3-4 Stunden zum Stillen gemeldet. Jetzt ist es aber so, dass er den ersten Abschnitt maximal 3 Stunden schläft und danach alle 1-2 Stunden aufwacht. Zudem hat er vorher immer nur ca. 15 Minuten getrunken und lies sich dann recht einfach und direkt wieder zum schlafen ablegen, jetzt brauchen wir teilweise 3-4 Anläufe zum Ablegen, was bis zu 1,5 Stunden dauert, weil er immer wieder wach wird und weint. Ich habe ihm auch schon beide Seiten zum trinken gegeben, obwohl vorher immer nur eine Seite reichte, aber das ändert leider auch nichts. In der Zeit als ich Bettruhe gehalten habe, haben wir nachmittags/abends immer recht viel geschlafen, vielleicht hat sich auch sein Schlafrhythmus verändert? Soll ich versuchen ihn tagsüber weniger schlafen zu lassen?

Liebe "besorgte Mama",
Ich kann mir vorstellen, dass sie nun besorgt sind, nachdem ihr Kind vorher so selten getrunken hat und jetzt viel öfter stillt und mehr Körperkontakt braucht. Lange Pausen können auch Ursache von Mastitis sein. 3-4 Stunden Stillpausen sind eher ungewöhnlich - wenn sie nur eine Brust angeboten haben dann hatten sie 6 bis 8 Stunden Stillpausen pro Brust. 
Ich weiß nicht, wie alt ihr Baby ist. Aber das was sie nun berichten hört sich eher nach einem normalen Wachstumsschub an und ist optimal um ihre Brust für die Produktion anzuregen. Häufiges Stillen und Körperkontakt passt die Milchproduktion dem Bedürfnis des Kindes besser an. 

Wir hören oft unterschiedliche Empfehlungen. Manchmal ganz gegensätzlich. Es gibt viele Mythen und Ammenmärchen. Wir leben heute in eher kleinen Familien und konnten oft nie wirklich miterleben wie kleine Babys wirklich ticken. Oft ist das eigene erste Baby das erste Baby, dass wir in unserem Leben im Arm halten. Viele Empfehlungen die Kinder möglichst früh an´s alleine Schlafen zu gewöhnen, sie nicht zu verwöhnen sondern "abzuhärten", und so früh Selbstständig aber auch anpassungsfähig zu machen kommen aus einer Zeit, in der wir heute nicht mehr leben wollen. Wir wissen heute glücklicherweise mehr über die Kleinkindentwicklung:

Babys wachsen nicht gleichmässig. Sie wachsen in Schüben und vorzugsmäßig auch gerne nachts. Dann stillen sie eine Zeitlang öfter, um die Milchproduktion anzuregen. Das sog. "Clusterfeeding" kann über einige Tage und einem heftigen Wachstums- und Entwicklungsschub normal sein.

Der Schlaf- und Essensrhythmus verändert sich ständig. Sobald man denkt, man hat jetzt einen Rhythmus, ändert sich alles. Das einzig Konstante bei kleinen Kindern ist die Veränderung. Na, ja, sie wachsen und werden größer, ihre Bedürnisse verändern sich.

Man weiß heute: die Natur hat Kleinkindern einen wichtigen Warnmodus mitgegeben, der sie weckt, wenn sie Hunger bekommen oder Gefahr droht. Dazu gehhört auch das abgelegt werden. Die Menschheit besteht ja seit etwa 10.000 Jahren oder länger und erst seit 100-200 Jahren wohnen wir in Kleinfamilien in festen, sicheren Häusern. Die Gehirne der Babys sind aber immer noch so konzipiert wie in der Steinzeit. Dass unsere Häuser aus Stein und unsere Türen fest verschlossen sind, ist in Kleinkindgehirnen noch nicht angekommen. Der Instinkt zu weinen wenn ein Baby abgelegt und allein gelassen wurde war eine lange Zeit Lebensnotwendig. Raubtiere waren z.B. eine lange Zeit eine ernste Gefahr für einen wehrlosen Säugling. In den meisten Kulturen der Welt werden Babys noch eine Zeit lang am Körper getragen und schlafen eng gekuschelt bei ihren Pflegepersonen. 

Babys wissen instinktiv, dass sie ohne uns nicht überleben und ziemlich schnell sterben würden. Es gibt auber noch viele andere Gründe für den engen Körperkontakt: Babys können sich nicht selbst regulieren. Ihre Emotionen, ihre Atmung und die Gleichgewichtsorgane sind noch unterentwickelt und passen sich noch an den Erwachsenen an. Der Instinkt zu einem Sozialen Wesen heranzuwachsen ist enorm und kann nur in der Gemeinschaft erlernt werden. Wenn Babys lachen, dann sagen sie; ich möchte zu Euch gehören! Die heutigen Forscher haben herausgefunden, dass Körperkontakt sogar wichtiger für eine Gesunde Entwicklung ist als Nahrung. Babys hören auf zu wachsen und sterben, auch wenn sie satt und sauber sind aber zu  niemandem eine Beziehung aufbauen können.

Jedes Kind hat ein sehr individuelles Bedürfniss nach Körperkontakt. Manche brauchen mehr, andere weniger. Dieses Bedürfniss ist jedoch fundamental für eine gutes Wachstum, kognitive und motorische Entwicklung und das Urvertrauen, dass Menschen ihr ganzes späteres Leben trägt. 

Sie brauchen nicht zu befürchten, dass sie ein Baby verwöhnen oder irgendwas angewöhnen. Babys im ersten Lebensjahr haben noch keinen Willen und handeln rein nach ihren lebensnotwendigen Bedürfnissen. Sie können auf ihr Baby achten und ihm vertrauen es richtig zu machen. Es hat noch die richtigen Instinkte. Seine genetischen Infos sind noch unverfällscht und immer! wirklich immer steckt ein Sinn dahinter. 

Schenken Sie ihrem Sohn diese Zeit, die wie im Flug vergehen wird. Im vergleich zu unserem restlichen Leben ist es nur 1-2 Prozent unseres Lebens, die wir den Kindern schenken. Die restliche Zeit vermissen wir diese im Nachhinein wunderschöne Zeit. 

Vielleicht mögen sie mehr über die Bedürfnisse und die Entwicklung von Babys lesen: Es gibt einige schöne Bücher: z.B. "In Liebe wachsen" und "Schlafen und Wachen" von Dr. Carlos Gonzales oder das von Dr. Renz-Polster: "Kinder verstehen" oder "Schlaf gut Baby". 

Liebe Grüße 
Malwina Balicki 

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Kommentare: 1
  • #1

    Anna (Sonntag, 10 Februar 2019 14:40)

    Liebe Malwina,
    leider kann ich unter dem Artikel "7 Gründe gegen die Bauchlage" nicht kommentieren, daher mache ich es hier.
    Ich finde eine sachliche Aufklärung generell wichtig und diese vermisse ich in Ihrem Artikel. Eine permanente Rückenlage kann nämlich ebenfalls sehr schädlich sein. Leider habe ich damals zu sehr auf die Verfechter der ausschließlichen Rückenlage geglaubt und mich die ersten Monate kaum getraut, meinen Sohn auf den Bauch zu legen. Das Ergebnis ist ein extrem abgeflachter und deformierter Hinterkopf, den ich mithilfe eines Osteopathen versucht habe zu therapieren. Leider ohne Erfolg. Ich mache mir sehr große Vorwürfe!! Mein Sohn ist inzwischen 5 und die Deformation ist immer noch deutlich sichtbar. Ich denke nicht, dass sie wieder verschwinden wird.
    Bitte klären sie doch auch über dieses Risiko auf.
    Zudem stärkt die Bauchlage bekanntermaßen die Rückenmuskulatur, die ansonsten komplett vernachlässigt wird. Ich denke auf die gesunde Mischung kommt es an. Bitte verunsichern Sie doch die frischgebackenen Mütter nicht mit solchen Artikeln, so wie es mir damals selbst ergangen ist. So ein deformierter Schädel ist wirklich nicht schön!! Danke!!